Die Lokalbahn Meckenbeuren-Tettnang

Geschichte:
Die Stadt Tettnang setzte sich schon frühzeitig für einen Eisenbahnanschluß ein. Die Hauptbahn Friedrichshafen - Ulm führte in wenigen Kilometern entfernung an der Oberamtsstadt vorbei. Der nahegelegene Ort Meckenbeuren bekam zwar einen Bahnhof, aber damit gab man sich nicht zufrieden. Nach verschiedenen versuchen beim Staat, versuchte man es 1889 bei der Lokalbahn AG (LAG) in München. Diese Gesellschaft betrieb seit 1888 auch eine elektrische Schmalspurbahn von Ravensburg nach Weingarten. Aber auch dieser Vorstoß verlief im Sande. 1892 setzte man sich ein 2. mal mit der LAG in Verbindung. Und dieses mal hatte man erfolg: Die LAG entschied sich eine elektrische Bahn von Meckenbeuren nach Tettnang zu bauen. Der Strom für diese Bahn konnte dabei aus einem in der Nähe befindlichen Kraftwerk an der Schussen gewonnen werden, das zu diesem Zweck allerdings ausgebaut werden musste. Die Bahn nach Tettnang sollte aber in Normalspur gebaut werden und nicht wie die Ravensburger Bahn in der Spurweite von 1000mm. Am 15. März erfolgte die Konzession. Laut einem Vertrag zwischen der LAG und Tettnang musste die Bahn 15 Monate nach erfolgter Konzession betriebsfähig sein.

Der Betrieb wurde am 4. Dezember 1895 aufgenommen. Große Probleme beim Bau gab es allerdings nicht. Die Strecke  Meckenbeuren - Tettnang gilt als die 1. elektrische Vollspurbahn mit Personen- und Güterverkehr in Europa. Der Betrieb erfolgte mit 650V Gleichstrom. Im Kraftwerk (das mittlerweile von der LAG erworben wurde) musste eine neue 75 PS Turbine für die Bahn aufgestellt werden. Diese Turbine erzeugte 2100 V Wechselstrom. In einer Schaltzentrale beim Bahnhof Tettnang wurde der Strom umgeformt. In der Schaltzentrale gab es zudem eine Reserveanlage mit einer 60 PS Dampfmaschine und einer Akku Batterie. Die Fahrleitung war wie die allgemeine Ausstattung der Bahn recht einfach. Für den Betrieb wurden 2 kleine zweiachsige Elektrotriebwagen, sowie ein zweichasiger Personenwagen beschafft. Außerdem 2 zweiachsige gedeckte Güterwagen für den Binnengüterverkehr. Die Streckenlänge betrug 4,3 km, die Gleislänge 5,85 km. Es waren 50 Höhenmeter zu überwinden. Der engste Kurvenradius betrug 180m und  die stärkste Steigung 1:50. Es mussten 15 Feld- und Fußwegübergänge angelegt werden. Außerdem wurden 2 Staatsstraßen gekreuzt. Tettnang war der Betriebsmittelpunkt der Bahn. Hier war neben der Schaltzentrale auch ein zweiständiger Lokschuppen gebaut worden. Die Bau- und Anschaffungskosten der Bahn betrugen insgesamt 810.000 Mark. Davon trug die LAG 677.000 Mark und die Stadt Tettnang 133.000 Mark.

Der 1. Fahrplan sah 12 Zugpaare täglich vor. Und bereits im 1. Geschäftsjahr wurden die Erwartungen an die Bahn voll erfüllt. Sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr stiegen die Befördungszahlen über den Erwartungen. Im Juni 1896  wurde in Habacht ein neuer Haltepunkt eingerichtet. Außerdem wurde ein 13. Zugpaar eingeführt. Ebenfalls 1896 mussten in Brochenzell Akkumulatoren installiert werden, um Stromschwankungen beim Anfahren und beim Bremsen der Züge zu vermeiden. Bereits 1896 wurde ein Überschuß von 25.364 Mark erwirtschaftet. In den nächsten Jahren des Betriebs stieg der Überschuß stetig an. 1901 wurden Ideen einer Verlängerung der Bahn nach Wangen (im Allgäu) diskutiert. Allerdings wurden bereits zu diesem Zeitpunkt hohe Baukosten aus Topographischen Schwierigkeiten angenommen. 1907 wurde dieses Projekt zu den Akten gelegt. 1913 wurde zwar erneute Überlegungen angestellt, aber der 1. Weltkrieg verhinderten diese Bahn endgültig. Auch gab es schon seit 1912 eine Buslinie Tettnang - Wangen. 1906 wurde ein vierachsiger 3. Triebwagen für die Bahn beschafft. Der 1. Weltkrieg brachte für die Bahn erstmalig eine Angebotseinschränkung. Vor dem 1. Weltkrieg waren es im laufe der Jahre 17 Zugpaare gewesen. Diese wurden zum 1. Mai 1915 auf 14 reduziert. Außerdem stiegen die Ausgaben der Bahn stetig was. Aus diesem Grund nahm man eine Tariferhöhung vor. Allerdings brachte der 1. Weltkrieg auch steigende Fahrgastzahlen, vor allem zum Ende des Krieges hin, als immer mehr Menschen bei den verschiedenen Rüstungsbetrieben in Friedrichshafen beschäftigt waren.

Die Jahre nach dem 1. Weltkrieg waren vor allem durch die Inflation und die damit ständig steigende Fahrpreise geprägt. Auch eine Fahrplanverschlechterung musste durch die Bevölkerung hingenommen werden. Mit dem Ende der Inflation normalisierten sich die Fahrpreise zwar wieder, aber der LAG Konzern fuhr seit dem Ende des 1. Weltkrieges insgesamt gesehen Verluste ein. Gegen diese Entwicklung wurden verschiedene Maßnahmen eingeleitet. Unter anderem wurde Personal abgebaut. Dies traf auch die Tettnanger Strecke. Dort wurden 2 Stellen gestrichen. 1920 waren es 21 Mitarbeiter bei der LAG in Tettnang - 11 bei der Bahn und 10 bei den Elektrizitätswerken. Seit 1925 war es möglich in Tettnang Fahrkarten zu allen größeren Orten in Baden und Württemberg zu bekommen. 1926 ermäßigte die Bahn den Tarif, sowohl für den Personen- und auch den Güterverkehr. Außerdem wurde zum 1. Mai 1926 wurde auch die LAG Stromversorgung in Tettnang an die Oberschwäbischen Elektrizitätswerkeverband (OEW) verkauft. All dies sind weitere Maßnahmen um die Bahn aus der Verlustzone zu führen. 1927 wurde zwar wieder ein Gewinn erwirtschaftet, allerdings nur für wenige Jahre. 1929 wurde eine Buslinie Tettnang - Friedrichshafen eingerichtet, und damit verlor die LAG auch einige Fahrgäste. Allerdings war diese Buslinie nicht von langer dauer. Bereits 1930 wurde die Linie wieder eingestellt, Trotzdem sanken die Fahrgastzahlen weiter ab. Ebenfalls 1930 wurden die 3 Triebwagen der Bahn auf Druckluftbremsen umgebaut. Auch die allgemeine wirtschaftliche Lage des LAG Konzerns verschlechterte sich zunehmend. Es kamen Überlegungen zur Stillegung von einzelnen Linie auf, auch der Tettnanger Bahn. Zu dem gab es Probleme zwischen dem zum Teil jüdischen Aufsichtsrat und den  Machthabern seit 1933. Als 1933 der Aufsichtsrat zurück trat, gab es auch erstmal Verhandlungen mit der Deutschen Reichsbahn zur Übernahem der LAG. 1934 wurde das Aktienkapital der LAG im Verhältnis von 4:1 zusammengelegt und die Reichsbahn gab ein Darlehen. Schon zu dieser Zeit zeigte sich, dass die Reichsbahn an den meisten LAG Strecken kein interesse hatte und ihr weiterbestehen sichern wollte. Ab 1935 ging es der LAG wieder besser. Allerdings hielt dieser Zustand nicht lange an. Zum 1. August 1938 ging die LAG auf die Reichsbahn über. In einem Zeitungsbericht aus dieser Zeit wurde auch erwähnt, dass die Strecke Meckenbeuren - Tettnang meist ein ausgeglichenes Betriebsergebniss hatte.

Mit der Übernahme durch die Reichsbahn gab es insgesamt nur wenige Änderung beim Betrieb in Tettnang. Der Tarif wurde an den Reichsbahn Tarif angepasst. Außerdem wurde ein bereits 1930 geschlossener Fracht Lieferungsvertrag mit einem Unternehmer, der die Waren für die Gemeinden Laimnau, Langau, Flunau und Hiltersweiler lieferte, gekündigt. Für die Zeit des 2. Weltkrieges gilbt es nur wenige Informationen zur Bahn. 1940 wurde eine neue Blinklichtanlage in Meckenbeuren installiert. Außerdem kam ein Beiwagen und 1941 ein weitere Triebwagen zur Bahn. In diese Zeit muss auch einer der beiden Triebwagen aus der Anfangszeit abgestellt und verschrottet worden sein. Ansonsten stiegen wie bereits im 1. Weltkrieg die Beförderungszahlen an. Vor allem die Rüstungsbetriebe in Friedrichshafen benötigten Mitarbeiter aus der ganzen Region. Im April 1945 marschierten französische Truppen in Tettnang ein. De Betrieb wurde eingestellt.

Vermutlich im Mai oder Juni 1945 wurde der Bahnbetrieb wieder aufgenommen. Die Bahn unterstand jetzt aber nicht mehr der RBD Stuttgart sondern der ED Karlsruhe, was von den Grenzen der Besatzungszone herrührte (dieser Zustand währte bis 1952). Bis 1950 fuhr allerdings keine elektrischen Züge bei der Bahn, sondern zu meist die württembergische T5 (Baureihe 75.0) des Bw Aulendorf. Als die Industrie in Friedrichshafen wieder aufgebaut war, und wieder vermehrt Arbeiter benötigt wurden, führte die neugegründete Bundesbahn im September 1949 eine direkte Buslinie Meckenbeuren - Tettnang ein. Bis 1950 wurden auch die Triebwagen wieder instandgesetzt. Dies geschah im EAW Friedrichshafen. Auch der seit 1940 vorhandene Beiwagen wurde wieder aufgearbeitet, was in verschiedenen Publikationen zu Spekulationen fuhren, ob der Beiwagen erst zu dieser Zeit nach Tettnang kam. Ende der 50er Jahre sanken die Beförderungszahlen auf Grund steigender Motorisierung der Bevölkerung stark ab. Im Dezember 1959 kündigte die Energieversorgung Schwaben (EVS) an, ihre Überlandstromleitungen von 15000 V auf 20000 V umzurüsten. Dieser geänderten Spannung waren die alten Anlagen nicht mehr gewachsen. Die Bundesbahn beantragte hierauf den Personenverkehr zum 3. April 1960 einstellen zu dürfen. Dagegen erfolgten starke Proteste aus Tettnang, Meckenbeuren und anderen Gemeinden. Die Stillegung wurde nochmal abgewandelt, allerdings war die Gefahr noch nicht gebannt. Zum 1. Februar 1962 sollte die Bahn wieder stillgelegt werden. Tatsächlich wurden zu diesem Zeitpunkt der elektrische Betrieb eingestellt und die Oberleitung abgebaut und die Fahrzeuge abgestellt. Dafür fuhr jetzt ein VT 98 auf der Strecke. Das Land Baden-Württemberg hatte den VT 98 9794 für diese Strecke finanziert. Man zahlte damals 238.500 Mark. Bis zu diesem Zeitpunkt waren täglich 19 Zugpaare auf der Strecke. Zum selben Datum wurde der Verkehr allerdings auf 14 Zugpaare reduziert. In Tettnang wurde auch eine Dieseltankstelle eingerichtet und außerdem eine Blinklichtanlage in Betrieb genommen. Aber auch der Schienenbus konnte die Bahn nicht retten. Die Fahrgastzahlen sanken weiter ab. 1962 wurde auch noch eine direkte Buslinie Tettnang - Ravensburg eingerichtet. Am 30. Mai 1976 wurde der Personenverkehr eingestellt. Aus diesem Anlass fand ein Bahnhofsfest statt und die 98 812 der Ulmer Eisenbahnfreunde e.V. (UEF) zog einen Sonderzug auf der Strecke. Mit der Einstellung des Personenverkehr musste der 798 794 (ex VT 98 9794) an das Land Baden-Württemberg zurückgegeben werden. Er kam als VT 10 zur Hohenzollerischen Landesbahn AG (HzL) un 1977 zu den Verkehsrbetrieben Vorwohle-Emmenthal (VEV). 1982 gelangte er zur IG Schienbus, Seelze.

Der Güterverkehr lief weiter und wurde schließlich im Mai 1995 eingestellt. Die Bedienung erfolgte zu meist mit einer V60 (260 bzw. später 360/365) aus Friedrichshafen. Zum Schluß fanden auch nochmals Sonderfahrten auf der Strecke statt. Unter anderem fuhren auch nochmals Triebwagen der Bodensee Oberschwaben Bahn (BOB) auf  der Strecke und am 10. September 1995 fuhren anlässlich des Bähnles Fest in Tettnang Sonderfahrten der Eisenbahnfreunde Zollernbahn e.V. (EFZ) auf der Strecke. Bespannt waren sie mit der 64 289 und der 50 3576. Das Bähnles Fest findet noch immer statt - seit 1976. In Meckenbeuren wurden die Gleisanlagen in Richtung Tettnang entfernt. Die Strecke liegt noch vollständig (sieht man von 2 überteerten Bahnübergängen ab). In Tettnang wurde die Gleise für die Öchsle Museums-Schmalspurbahn von Ochsenhausen nach Warthausen zurückgebaut, letztliche kamen aber je eine Weiche nach Neuoffingen zum Verein Schwaben Dampf und eine weitere Weiche zum Hessencourier.

Fotos:
Fotos von der Strecke

Fahrzeuge:
LAG Nummer DB Nummer Achsfolge Hersteller Baujahr/Fabriknummer Leistung Bemerkung/Herkunft/Vebleib
505 ET 183 05 (1'A)'(A'1) MAN/BBC/SSW 1899 90 kW
  • 1899 LAG 505 (Isartalbahn)
  • 1941 Umsetzung nach Tettnang
  • 1962 abgestellt im Bw Freudenstadt
  • 1981 Bw Kornwestheim
  • 1986 MVT/DTM
360 ET 184 41 Bo MAN/SSW 1895 2x 44 kW
  • 1895 LAG 360
  • 1938 DRG/DB ET 184 41
  • 1959 ++
361 ET 184 42 Bo MAN/Oerlikon 1895 2x 44 kW
  • 1895 LAG 361
  • 1938 DRG/DB ET 184 42
  • 1942 ++
772 ET 185 01 (1'A)'(A'1) MAN/SSW 1906 90 kW
  • 1906 LAG 772
  • 1938 DRG/DB ET 185 01
  • 1962 ++
30 EB 184 41 2x MAN 1889 -
  • 1889 LAG 30 (Füssen)
  • 1906 Umsetzung nach Tettnang
  • 1938 DRG/DB EB 184 41
  • 19?? Arbeitswagen
  • 19?? ++
362 EB 184 42 2x MAN 1895 -
  • 1895 LAG 362
  • 1938 DRG/DB EB 184 42
  • 195? ++
- EB 184 51 2x AEG 1925 -
  • 1925 Kreis Oldenburger Eisenbahn
  • 1940 DRG/DB EB 184 51
  • 1962 ++
363 - 2x MAN 1895 -
  • 1895 LAG 363 (2 achsiger gedeckter Güterwagen)
  • Verbleib ??
364 - 2x MAN 1895 -
  • 1895 LAG 363 (2 achsiger gedeckter Güterwagen)
  • Verbleib ??

Quelle:
Heidtmann/Barth/Weidemann: Das Bahnbuch. Herausgegeben vom Förderkreis Heimatkunde Tettnang
Kuchinke: Die Localbahn Actiengesellschaft. Herausgegeben vom Transpress Verlag
Wolf/Menges: Klein- und Privatbahnen. Band 3 - Württemberg. Herausgegeben vom EK-Verlag

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